Schrödingers* Muslime
Ozan Zakariya Keskinkılıç
„Schrödingers Muslime können also, folgt man den widersprüchlichen Stereotypen, mehrere Dinge zur gleichen Zeit sein: Über ‚die‘ muslimischen Männer heißt es, sie würden Frauen den Handschlag verweigern, weil sie auf das andere Geschlecht herabblicken und für sie die Berührung anderer als der eigenen Ehefrau sexuell und sündhaft wäre, gleichzeitig wird davor gewarnt, dass ‚die‘ muslimischen Männer Frauen begrapschen und sexuell belästigen – beides liege in ihrer Religion und Kultur begründet. Ebenso heißt es, ‚die‘ Muslim:innen würden sich nicht integrieren und sich stattdessen in ‚Parallelgesellschaften‘ isolieren – aber gleichzeitig wird beklagt, dass muslimische Frauen mit Kopftuch Lehrerinnen werden wollen“ (Keskinkılıç 2021: 23).
Keskinkılıç, Ozan Zakariya: Muslimaniac. Die Karriere eines Feindbildes. Hamburg: Edition Körper.
* Das als Schrödingers Katze bekannte gewordene Gedankenexperiment aus der Physik von Erwin Schrödinger soll ein Paradoxon veranschaulichen: In einer undurchsichtigen Kiste befinden sich eine Katze, eine Vorrichtung mit einem radioaktiven Stoff und und eine Giftampulle. Sobald das radioaktive Material in dieser Apparatur zerfällt, wird das Gift freigesetzt und die Katze stirbt. Das Problem besteht nun darin, dass die radioaktive Substanz in der ersten Stunde nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent zerfällt. Dadurch ist nicht sicher, dass das Gift zu der Zeit bereits freigesetzt wurde und die Katze gestorben ist. Vor dem Öffnen der Kiste, wird die Katze deshalb gleichzeitig als tot und lebendig angesehen. Schrödingers Katze soll also zeigen, dass quantenmechanische Vorgänge und Zustände nicht direkt auf das alltägliche System übertragbar sind.
Weiterführender Beitrag
In der neusten Folge von We Talk. Schweiz ungefiltert diskutieren Ozan Zakariya Keskinkiliç und Amira Hafner-Al Jabaji im Gespräch mit Tarek Naguib die Auswirkung des antimuslimischen Rassismus in Deutschland und der Schweiz. Sie blicken (selbst-)kritisch auf Narrative, Stereotype, Befindlichkeiten sowie gesellschaftliche und politische Ereignisse. Außerdem tauschen sie sich darüber aus, welche Möglichkeiten Muslim*innen haben, mit den Zuschreibungen des Alltags kreativ umzugehen.