Kopftuchurteil II – Bundesverfassungsgerichtsurteil 2015

Im sogenannten Kopftuchurteil II (Bundesverfasungsgericht 2015: Beschluss des Ersten Senats vom 27. Januar 2015 – 1BVR 471/10) wurde der Fall einer kopftuchtragenden Lehrerin aus NRW verhandelt, die von ihrem Arbeitgeber (Land Nordrhein-Westfalen) abgemahnt und der schließlich gekündigt wurde. Ihre Kündigung wurde damit begründet, dass die Beschwerdeführerin sich weigerte im Dienst das sogenannte islamische Kopftuch bzw. eine als Ersatz hierfür getragene Wollmütze abzulegen.

Aus der Begründung zum Urteil geht hervor, dass Verbote, die auf das Tragen von Zeichen und Kleidungsstücken abzielen, die andere Religionen privilegieren, für nichtig erklärt werden müssen. Gleichzeitig muss das Grundrecht der Glaubensfreiheit der Betroffenen gewahrt werden, außer eine „konkrete Gefahr“, die von ihr ausginge, könne nachgewiesen werden. Ein bloße „abstrakte Gefahr“ kann daher nicht für verhältnismäßig erachtet werden.

„Doch ist das Tragen eines islamischen Kopftuchs, einer vergleichbaren Kopf- und Halsbedeckung oder sonst religiös konnotierten Bekleidung nicht von vornherein dazu angetan, die negative Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Schülerinnen und Schüler zu beeinträchtigen. Solange die Lehrkräfte, die nur ein solches äußeres Erscheinungsbild an den Tag legen, nicht verbal für ihre Position oder für ihren Glauben werben und die Schülerinnen und Schüler über ihr Auftreten hinausgehend zu beeinflussen versuchen, wird deren negative Glaubensfreiheit grundsätzlich nicht beeinträchtigt.“ (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Januar 2015 -1BvR 471/10: Rn 105)

https://www.bundesverfassungsgericht.de/e/rs20150127_1bvr047110.html

„Auch wenn der Beschluss hinsichtlich Punkt 2 in erster Linie für NRW gilt, sind doch die anderen Landesgesetzgeber über § 31 Abs. 1 BVerfGG daran gebunden ihre jeweiligen Gesetze nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auszulegen. Das bedeutet: Bewerberinnen dürfen nicht mehr aufgrund ihres Kopftuches abgelehnt werden.“ (Aktionsbündnis muslimischer Frauen 2015)

https://muslimische-frauen.de/download/kurzanalyse-des-bundesverfassungsgerichtsbeschlusses-zum-kopftuchverbot-im-schuldienst-2015/

„Zur falschen Zeit (2003), am falschen Ort (Baden-Württemberg) und – darf man nach der Aufhebung des pauschalen Kopftuchverbots durch den Ersten Senat des BVerfG sagen – im falschen Senat (Zweiter Senat): Das mag sich Fereshta Ludin zu ihrem Kopftuchverfahren vielleicht gedacht haben. Damals war es ihr nicht gelungen, durchzusetzen, dass sie mit Kopftuch unterrichten darf; nach dem jetzigen Beschluss aus „Karlsruhe“ sieht die Sache hingegen anders aus.“ (Neureither, Georg 2015)

https://verfassungsblog.de/ueber-kopftuecher-segelanweisungen-und-das-pech-zur-falschen-zeit-am-falschen-ort-und-vor-dem-falschen-senat-zu-sein/